Das große Boden-ABC

ein Buch von Angelika Ertl-Marko

16.4.2021


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„Wir treten unseren Boden mit Füßen“ (S. 5). Dieser bewußt zweideutige Satz eröffnet ein faszinierendes, knapp 180seitiges Buch, das vor allem vom praktischen Wissen und der praktischen Erfahrung der Autorin Angelika Ertl-Marko profitiert, ihres Zeichens ausgebildete Gärtnerin, die seit 2001 auch regelmäßig im ORF zu sehen ist und außerdem Ausbildungen im Bereich Biolandbau, regenerative Landwirtschaft und Humusaufbau vorzuweisen hat.

In 26 Kapiteln – die Anfangsbuchstaben ihrer Überschriften folgen dem Alphabet – führt die Autorin durch ihr (im wahrsten Sinne des Wortes!) bodenständiges Thema, das vor allem praktisch orientiert ist und die Theorie nur zum Verständlichmachen einsetzt. Das zentrale Anliegen ist dabei der eigene Garten mit eigenem Gemüse-Anbau. Doch natürlich werden auch weitere Themen berührt: industrielle Nahrungsproduktion (und ihre Gefahren), biologische bzw. nachhaltige Landwirtschaft, der Umgang mit „Schädlingen“, natürliche Düngemethoden etc. Das verbindende Element ist dabei immer der Boden, bzw. die Erde, aus der die Nutzpflanzen wachsen. Gleich im 2. Kapitel wird der Hauptprotagonist mit beeindruckenden Zahlen vorgestellt:

„In einer Handvoll gesunder Erde leben ungefähr gleich viele Mikrolebewesen wie auf der Erde Menschen – also rund 8 Milliarden.“ (S. 11) Im Wald, wo die Dichte der Mikroorganismen am höchsten ist, erreicht die Biomasse im Boden ein Gewicht von bis zu 25 Tonnen pro Hektar und kann im Jahr 15 Tonnen Humus erzeugen.

Die einzelnen Kapitel beschreiben ihre Themen dabei auf beeindruckend vielfältige Weise. Das vorletzte Kapitel „Yummy“ (S. 167) ist etwa ein ausgesprochenes Kochkapitel, das mehrere Rezepte samt Kochanleitung und entsprechenden Bildern vorlegt. Ein weiteres solches Rezeptkapitel ist „Dünger“(S. 26).

In der Buchmitte kommen hingegen zwei extrem gegensätzlich gehaltene und gestaltete Kapitel direkt hintereinander. „Nahrungsmittel“ (S. 98) ist eher textlastig und bildarm, und beschreibt den Zustand (und vor allem die verheerenden Nachteile!) der industriellen Nahrungsproduktion. „Ohne Gemüse kann ich nicht leben“ (S. 104) ist dagegen ein reines Bildkapitel mit wenigen Texterklärungen, wo verschiedene Gemüse in all ihrer bunten Farbenpracht dem Leser vor Augen geführt werden.

Sehr praktisch ist wiederum etwa das Kapitel „Kompost“ (S. 74) gehalten, wo Text, Bilder und verschiedenfarbige Infoboxen das Thema dem Leser auf mehreren Ebenen nahebringen. Solche Infoboxen, die auch in verschiedenen Schriftarten, -größen und Platzierungen daherkommen, ziehen sich durch das ganze Buch.

Auch die Vielfalt der dargelegten Themen ist beeindruckend. Ein Kapitel ist ganz dem „Lumbricus Terrestris“ (S. 82), dem gewöhnlichen Regenwurm gewidmet, ein weiteres der „Terra Preta“ (S. 134), der uralten Methode der Holzkohledüngung, während „Verborgene Pflanzen-Intelligenz“ (S. 148) sich einem Bereich annähert, der lange als eher esoterisch angesehen war und erst in jüngster Zeit wissenschaftlich erforscht wurde: den Sinnen der Pflanzen.

Das Einleitungs- und das Endkapitel bilden eine Art Rahmen und stellen u. A. einen ernsten, dringenden Aufruf dar, unsere Haltung zur Erde und unserer Biosphäre zu ändern. Die Nahrungsmittelindustrie läßt die Böden verarmen, die sinkende Fruchtbarkeit muss mit erhöhter chemischer Düngung kompensiert werden, die wiederum die Böden auslaugt und immer unfruchtbarer macht. Von chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln wie Glyphosat ganz zu schweigen...

Das ist eine zentrale Motivation der Autorin: „Wir können ganz einfach zuhause beginnen – bei unseren Hausböden, den Hochbeeten und in unseren Gärten. Vom Heimgarten aus können wir eine Welle lostreten, die nach und nach großflächig auf die Landwirtschaft übergreift, um die Weichen noch rechtzeitig umzustellen. Regenerative Bodenwirtschaft lautet der Schlüssel zur Trendumkehr!“ (S. 7).

Erfreulicherweise berichtet Angelika Ertl-Marko etwa im Kapitel „Werte“ (S.154), dass die Wende bereits angefangen hat. „635.000 Hektar, rund 25 Prozent der Gesamtfläche, werden hierzulande [in Österreich] bereits biologisch bewirtschaftet.“ In Deutschland seien es mit 1.373.000 Hektar etwa 11 Prozent.

Allerdings bedeutet das auch, dass die notwendige Landwirtschaftswende immer noch recht weit am Anfang steht. Global betrug die biologisch bewirtschaftete Fläche im Jahr 2016 nämlich erst wenig mehr als 1 Prozent. „Umso wichtiger ist die Vorbildfunktion fortschrittlicherer Länder wie Österreich und Deutschland, die anderen Regionen künftig als Kompass im regenerativen Landbau dienen können.“ (S. 158), schreibt die Autorin daher.

Das vielleicht wesentlichste Element für diese notwendige Wende ist die innere Einstellung, die Wende im Kopf. „Biologisch gärtnern ist im Grunde eine schwere und einfache Übung gleichermaßen. Schwer, weil es naturgemäß weniger mühselig ist, Blaukorn ins Beet zu streuen, als systematischen Humusaufbau zu betreiben. Einfach ist das ökologische Gärtnern deshalb, weil es letztlich bloß eine Frage der Einstellung ist. Hat man sich einmal für eine nachhaltige Arbeitsweise im Garten entschieden, wird einen die Begeisterung tragen und auch schweißtreibende Aktivitäten gehen einem leicht von der Hand.“ (S. 177)

In diesem Sinne: Ärmel hochkrempeln und packt's an!

 


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