Die Donut-Ökonomie

Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört

8.12.2020


 

Langsam, sehr langsam sickert die Erkenntnis durch, dass „Klimawandel“ nicht nur einen Wandel des Klimas bedeutet, sondern auch einen sehr grundlegenden Systemwandel für die Menschheit und besonders für die westlich-abendländisch geprägten Kulturen. Schließlich war es die industrielle Revolution im England des 17./18. Jahrhunderts gewesen, die ihre Kreise immer weiter über den Globus gezogen und am Ende die ganze Misere mit den Treibhausgasen verursacht hatte.

Oder genauer gesagt: mitverursacht hatte, denn im England dieser Zeit entstand gleichzeitig der Same für das heutige Wirtschaftsmodell, das in mindestens dem gleichen Ausmaße am Klimawandel schuld ist, da es den Wirtschaftsmotor immer höher und höher drehte und im gleichen Maße das Bewusstsein für alles andere (Humanität, Umwelt, laissez faire etc.) schwinden ließ.

Dem Diktat des materiellen Gewinns wird alles andere untergeordnet, Geldverdienst, Geschäft und Vermögensfluss stehen in unserer Wirtschaftswelt an erster Stelle, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gilt als Maßstab für den Erfolg eines Staats. Und besonders verhängnisvoll: materieller Reichtum gilt als Inbegriff für Lebenserfolg, Garant für Freiheit und Richtmaß für Zufriedenheit.

Es war nicht nur die Weltwirtschaftskrise 2008, die Kritik an dieser Haltung hervorrief, aber sie war das bisher vielleicht deutlichste und sichtbarste Zeichen, dass der Kapitalismus nicht unfehlbar ist. In ihrem Gefolge begannen Wirtschaftswissenschaftler und Ökonomen weltweit nach Alternativen zu suchen. Alternativen, die eine zukunftsfähige Basis im Angesicht des Klimawandels bilden könnten.

In ihrem Buch „die Donut-Ökonomie“ legt die international renommierte Wirtschaftswissenschaftlerin Kate Raworth einen möglichen Grundentwurf für ein zukünftiges ökonomisches Wirtschaftsmodell vor. Der Begriff „Donut“ ist für unsere mitteleuropäischen Ohren dabei vielleicht missverständlich, steht der Donut in seiner dekadenten Süße doch eigentlich eher als Symbol für das, was ein solches neues Wirtschaftsmodell NICHT sein soll. Doch der Name rührt von der Form der Grafik her, mit der Raworth ihr ökonomisches Modell verbildlicht.

Unsere gegenwärtige Wirtschaft konzentriert sich einzig und allein auf den Menschen und seine Bedürfnisse, klammert jedoch die Natur, die Umwelt und den Planeten, auf dem er lebt, vollständig aus. Raworth holt die Natur mit hinein in ihr ökonomisches Modell und versucht darin, die Bedürfnisse des Menschen und die Bedürfnisse der Umwelt in Einklang zu bringen, sie zu versöhnen. Daher hat es die Form eines Ringes. Nur dort sind beider Bedürfnisse miteinander versöhnt. Außerhalb des Ringes leidet die Natur an Mangel, der sich dann auch auf den Menschen auswirkt, da er ja in ihr lebt. Doch auch der Mensch kann Mangel leiden bei gesundem Gleichgewicht der Natur, das ist der Bereich, der innerhalb des Ringes liegt.

Raworth entwickelte das Donut-Modell im Jahr 2011 als Gegenentwurf zur klassisch aufsteigenden Kurve des Bruttoinlandsprodukts. Um seinen Inhalt zu konkretisieren, benennt sie 12 Grundbedürfnisse, die für jeden Menschen als Lebensbasis nötig sind:

Wasser, Nahrung, Gesundheit, Bildung, Einkommen&Arbeit, Frieden&Gerechtigkeit, politische Teilhabe, soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung, Wohnen, Netzwerke und Energie.

Als Gefahren, die der Natur durch ein Überschießen dieser Grundbedürfnisse erwachsen, benennt sie:

Klimawandel, Versauerung der Meere, Chemische Umweltverschmutzung, Stickstoff- und Phosphatbelastung, Süßwassermangel, Flächenumwandlung, Verlust der Artenvielfalt, Luftverschmutzung und Rückgang der Ozonschicht.

Bei der Visualisierung des jetzigen Standes der Welt und der Menschheit im Donut-Modell scheinen überall Grenzüberschreitungen auf:

Das vorliegende Buch versucht nun, mögliche Pfade zur Mitte des grünen Donuts aufzuzeigen, wo sowohl die Bedürfnisse des Menschen als auch der Natur, in der er lebt, gedeckt sind. Der englische Untertitel „Seven Ways to Think Like a 21st-Century Economist“ (sieben Wege, um wie ein Ökonome des 21. Jahrhunderts zu denken) gibt dabei das Programm vor.

Nach der Vorstellung ihres Modells zeigt Kate Raworth daher sehr gründlich sieben Wege, unser Wirtschaftsmodell, aber auch unser wirtschaftliches Denken in entsprechend neue Bahnen zu denken. Jedes der großen Kapitel ist dabei in einen historischen Teil, einen praktischen Teil und in einen Zukunftsmodell-Teil gegliedert. Der historische Teil befasst sich mit der Entwicklung verschiedener Aspekte des heutigen Wirtschaftsmodells. Der praktische Teil weist auf Fehler und Lücken hin, sowie auf entgegensetzte, praktisch angewandte Alternativen. Der Zukunftsmodell-Teil versucht, diese meist im Kleinen ausprobierten Alternativentwürfe auf das große globale Ganze zu übertragen.

Dabei schreibt Raworth erfrischend direkt, verständlich, und langweilt den Leser nicht mit trockenen abstrakten Geldflüssen und Wirtschaftskonzepten. Im Gegenteil: es ist ein ausgesprochen humanistisches Buch, das Ökonomie und Wirtschaft in die komplexe Natur des Menschen einbettet und ihn nicht auf statistische Zahlen und Verhältnisse herunterbricht.

Von Anfang an betont die Autorin dabei die Wichtigkeit von Bildern und Symbolen. Sie unterstreicht, wie verheerend, aber auch wie befruchtend sie immer schon gewirkt haben und welche Chance darin liegt, sich von den überkommenen Symbolen der Vergangenheit zu trennen. Raworth setzt diesen alten Symbolen dabei ganz konsequent neue Symbole entgegen. So stellt sie etwa dem mechanischen Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage ein dynamisches Bild von ausgleichenden Rückkoppelungen gegenüber, dem rationalen Homo oeconomicus den „sozial anpassungsfähigen Menschen“ (ev. ein Homo universalis) und der klassischen Vorstellung, dass Wachstum automatisch für größere Gerechtigkeit sorgte, eine vernetzte Verteilung, die von vornherein für ausgleichende Gerechtigkeit sorgt.

Man mag vielleicht nicht mit allem einverstanden sein, so geht Raworths Donut-Modell wie jedes andere Wirtschaftsmodell von einem geschlossenen System aus, während sich mit der Revolutionierung der privaten Raumfahrt hier gerade eine Sprengung dieser Geschlossenheit ankündigt. Dennoch ist es ein beeindruckendes Dokument, der Versuch, auf die veränderten und sich stetig weiter verändernden Bedingungen auf unserem Planeten einzugehen und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Kate Raworth hat nicht den Anspruch, eine Bibel geschrieben zu haben. Es ist deutlich ein Dokument für einen Aufbruch in unbekannte Gefilde, ein Wegbereiter für Kommendes. Vieles wird noch ergänzt werden müssen, vieles wird auch die Praxis lehren und manches wird sich auch hier als fehlerhaft herausstellen.

Doch Fehler sind wichtig, ohne sie ist kein Lernen möglich. Aber aus Fehlern nicht zu lernen bedeutet den sicheren Untergang. Kate Raworth versucht in ihrem Buch, uns genau davor zu bewahren.

Mögen wir lernende Menschen bleiben, ein Homo discens werden, kein Homo consumens bleiben!

Zusammengestellt von Renate Brandner-Weiß und Philipp Kronbichler

Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Doughnut_(economic_model).jpg

Quellen:
Die Donut-Ökonomie, 1. Auflage 2018, Carl Hanser Verlag München
www.kateraworth.com
Doughnut (economic model) - Wikipedia


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