Mechanische Speicher für Elektrizität

Zuverlässig und bewährt!

3.10.2022



Die Energiewende braucht Elektrizitätsspeicher, und zwar in einem wesentlich größeren Umfang als bisher.

Kurz gesagt, braucht es parallel zum Ausbau erneuerbarer Energieerzeugungsanlagen und mehr Lastmanagement auch einen massiven Ausbau von Elektrizitätsspeichern.

Neben verschiedenen Akkutechnologien, die mittlerweile ja ebenfalls als Speicherkraftwerke eine Kapazität von über 500 Megawattstunden (MWh) erreichen ist die Power-to-Gas-Technologie in Verbindung mit Brennstoffzelle zu nennen, die ebenfalls große Energiemengen z.B. in unterirdischen Kavernenspeichern aufnehmen kann. Der Wirkungsgrad ist allerdings bedeutend schlechter. Statt ca. 75% kommen nur 40% oder noch weniger beim Endverbraucher an. Diese Technik ist allerdings interessant, weil Wasserstoff chemisch weiter zu Kohlenwasserstoffen verarbeitet werden kann (Power-to-X-Technologie). Ihre Anwendung ist erst im Kommen.

Im Beitrag werden mechanische Speichersysteme behandelt, die es teilweise zwar schon lange gibt, die jedoch trotzdem noch einige Überraschungen bereithalten.

Schwungradspeicher:

Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwungrad-Speicherkraftwerk#/media/Datei:Example_of_cylindrical_flywheel_rotor_assembly.png

Die einfachste Möglichkeit, elektrische Energie über kurze Zeit zwischenzuspeichern, ist, damit über einen Elektromotor eine Masse in Bewegung zu setzen. Braucht man die Energie wieder, kehrt der Motor seine Drehrichtung um und verwandelt sich damit in einen elektrischen Generator, der von der in Bewegung befindlichen Masse angetrieben wird. Dadurch wird sie wieder abgebremst. Die Rekuperation elektrisch angetriebener Fahrzeuge funktioniert beispielsweise so.

In den 50er Jahren wurden ausschließlich mit dieser Technik betriebene sogenannte Gyrobusse in der Schweiz und Belgien betrieben, die insgesamt über 700.000 km zurücklegten. An jeder Haltestelle wurde mittels elektrischer Aufladung ein schweres Schwungrad im Bus in Bewegung versetzt, das bis zur nächsten Haltestelle (sie durfte nicht mehr als 4 km entfernt sein) den Elektromotor des Fahrzeugs mit Strom versorgte.

Kurzzeitig funktioniert das ganz gut. Schwungradspeicher können ihre Rotationsmassen in hohe Geschwindigkeiten versetzen (bis zu 60.000 U/min), allerdings sind die Reibungsverluste bedeutend, selbst in den heute gebräuchlichen Vakuumkammern mit Magnetlagern. Daher werden sie hauptsächlich als Ausgleichsspeicher zur Stabilisierung des Stromnetzes genutzt. Ihre Leistungsabgabe ist hoch, bis hin zu einigen Megawatt, die Speicherdichte dagegen mit 10-50 Wh/kg eher gering. Sie sind daher vor allem als stationäre Anlagen mit Speicherdauern von unter einer Stunde geeignet.

Druckluftspeicher:

Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Druckluftspeicherkraftwerk#/media/Datei:Kraftwerk_Huntorf_Modell.jpg

Eine weitere Möglichkeit ist, mit überschüssiger Elektrizität einen Gasverdichter anzutreiben, der in Druckspeichern einfache Atemluft komprimiert. Dieses Prinzip wird im Druckluftspeicherkraftwerk verwirklicht. Da natürliche Höhlen oder etwa auch Salzkavernen unter Tage für die Speicherung verwendet werden können, sind sehr große Speichervolumina möglich. Das Kraftwerk McIntosh in Alabama hat etwa 538.000 m3 Speichervolumen und kann damit seine 110 MW Turbine 26 Stunden lang betreiben. Das ergibt eine elektrische Kapazität von 2860 Megawattstunden.

Allerdings gibt es eine Reihe von physikalischen Hürden, die zu hohen Leistungsverlusten führen können:

Luft erwärmt sich, wenn sie komprimiert wird. Bei 50 Bar können bereits 600°C erreicht werden. Üblicherweise wird diese Wärme über einen Wärmetauscher abgeführt. Wird sie nicht zwischengespeichert, ist sie verloren. Dehnt sich die Luft beim Antreiben eines Stromgenerators aus, kehrt sich dieser Vorgang nämlich wieder um. Dem System muss nun Wärme zugeführt werden, sonst vereist die Turbine.

Daher werden die im Moment weltweit einzigen Druckluftspeicherkraftwerke in Kombination mit einem Gaskraftwerk betrieben. Das ältere der beiden, das Kraftwerk Huntorf in Deutschland von 1978, führt die Wärme beim Verdichten ab und erwärmt die sich ausdehnende Luft beim Kraftwerksbetrieb durch den Gasbrenner der Turbine. Der Wirkungsgrad liegt dadurch bei mageren 41%. Das modernere Kraftwerk McIntosh erwärmt die expandierende Luft hingegen durch die Abwärme der Gasturbine, womit der Wirkungsgrad auf 54% gesteigert werden konnte. Noch effizienter ist eine Versuchsanlage, die die TU Zürich seit 2016 in einem stillgelegten Versorgungstunnel des Gotthard-Basistunnels betreibt. Hier wird die durch die Luftverdichtung erzeugte Erwärmung in Steinen zwischengespeichert, die beim Kraftwerkbetrieb die sich ausdehnende Luft wieder erwärmen. Hier werden ca. 70% Wirkungsgrad erreicht.

Pumpspeicher:

Bild: https://img1.oastatic.com/img2/35320796/max/pumpspeicherkraftwerk-goldisthal.jpg

Etwas bessere Wirkungsgrade, nämlich über 75%, erreicht die älteste hier vorgestellte Technik: das Pumpspeicherkraftwerk, eine Abwandlung des Wasserkraftwerks. Sie wurde schon in vorindustrieller Zeit eingesetzt, um beispielsweise überschüssige Windkraft von Windmühlen zu speichern, damit das Korn auch bei Flaute gemahlen oder Webstühle dann weiter betrieben werden konnten.

Das Prinzip ist seit dem 19. Jahrhundert im Wesentlichen gleich geblieben: Es gibt zwei Speicherbecken in unterschiedlichen Hochlagen. Bei überschüssigem Strom wird Wasser aus dem unteren Becken in das obere gepumpt, bei Strombedarf fließt es aus dem oberen Becken über eine Turbine wieder hinunter in's untere Becken. Da die Wasserkraft seit ihren Anfängen kontinuierlich ausgebaut wurde, ist diese Technik wohlerprobt und gut beherrscht. Die meisten Stauseen heutzutage sind allerdings nicht als reine Pumpspeicher ausgeführt, aber darauf ausgelegt, bei Bedarf zusätzlichen Stauraum zur Verfügung zu stellen (etwa der Kölnbreinspeicher der Malta-Kraftwerksgruppe).

Reine Pumpspeicherwerke, wie das Kraftwerk Goldisthal in Deutschland, können enorme Wassermengen speichern und damit auch entsprechend große Kapazitäten an Elektrizität. Das Raccoon-Mountain-Pumpspeicherwerk in Tennessee etwa kann rund 36 GWh speichern und mit einer Leistung von ca. 1600 MW wieder bereitstellen. Diese Werte werden heutzutage noch von keiner anderen Speichertechnologie erreicht.

Eine noch in Erprobung befindliche Sonderform des Pumpspeicherkraftwerks ist der Kugelpumpspeicher. Dabei handelt es sich um hohle Stahlbetonkugeln, die im Meer oder einem tiefen See versenkt werden können. Mit überschüssigem Strom werden die Kugeln leergepumpt, bei Strombedarf wieder geflutet. Beim Hineinströmen treibt der Wasserdruck eine Turbine an. Diese Technik eignete sich gut für Offshore-Windkraftanlagen, besonders solche in tiefen Gewässern. Sie befindet sich derzeit in Erprobung

Lageenergiespeicher:

Bild: https://blog.energiedienst.de/wp-content/uploads/2016/06/HRS-Europe-1080x674.jpg

Generell haben Pumpspeicherkraftwerke jedoch zwei Nachteile:

1. Sie sind auf entsprechende Höhenunterschiede in der Geographie ihrer Landschaft angewiesen. Im Flachland können sie nicht eingesetzt werden.

2. Durch den großen Fächenverbrauch gibt es ökologische Bedenken gegen einen zu ekzessiven Einsatz. Außerdem gibt es - besonders in Europa - kaum weitere Ausbaumöglichkeiten für die Wasserkraft.

Um das zu kompensieren, wurden neue Konzepte entwickelt, die alle auf dem Prinzip beruhen, mit überschüssiger Energie Masse in die Höhe zu heben, die bei Bedarf wieder heruntergelassen werden kann und dabei einen Stromgenerator antreibt. Die Kraft der Gravitation ist auf unserem Planeten kostenlos verfügbar und sorgt für entsprechend hohe Wirkungsgrade von gut 80% oder sogar darüber. Reibungsverluste wie schon beim Pumpspeicherkraftwerk bleiben allerdings unvermeidbar.

Die meisten Konzepte befinden sich noch im Ideenstadium. Das Schweizer Startup Energy Vault möchte etwa Betonblöcke durch überschüssigen Strom in die Höhe heben und diesen wiedergewinnen, indem sie wieder heruntergelassen werden. Seriöser klingt da der Projektversuch der Universität Innsbruck, einen Betonkolben in einem "Powertower" mittels Hydraulik zu heben und zu senken. Bei Stromeinspeisung wird der Kolben gehoben, senkt sich der Kolben, treibt er damit eine Turbine an.

Die spektakulärste Idee stammt allerdings von Prof. Dr. Eduard Heindl. Sein Projekt arbeitet ebenfalls mit Wasserdruck, allerdings werden damit riesige, hunderte Meter durchmessende freistehende Granitzylinder gehoben bzw. generieren beim Senken wieder Elektrizität. Damit wird ein wesentlicher Nachteil von Pumpspeicherwerken eliminiert: Heindls Lageenergiespeicher kann auch im Flachland stehen und hat durch das höhere Gewicht von Granit eine wesentlich höhere Energiedichte. Ein 500 Meter durchmessender Zylinder hätte eine maximale Speicherkapazität von 124 GWh, weit mehr als jedes heute existierende Pumpspeicherkraftwerk (das wesentlich mehr Platz bräuchte!).

Fraglos wäre der ökologische Impakt weitaus geringer als der eines Pumpspeicherwerks, allerdings bleibt die Frage, wie die Bevölkerung angesichts dieser gigantischen runden Monolithe in der Landschaft reagieren würde, die sich in majestätischer Langsamkeit auf- und abbewegten. Die Zukunft wird es vielleicht zeigen...

Quellen:

·         Armin Schmiegel, Energiespeicher wür die Energiewende, 2. Auflage 2020, Hanser Verlag

·         https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_energy_storage_projects

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Energiedichte

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Schwungradspeicherung

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Schwungrad-Speicherkraftwerk

·         https://www.energie-lexikon.info/schwungradspeicher.html

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Gyrobus

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Druckluftspeicherkraftwerk

·         https://www.energie-lexikon.info/druckluftspeicherkraftwerk.html

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_McIntosh

·         https://www.energie-lexikon.info/pumpspeicherkraftwerk.html

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Pumpspeicherkraftwerk

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Maltakraftwerke

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Speicherkraftwerk

·         https://www.researchgate.net/publication/262225978_Der_Lageenergiespeicher_-_Ein_Konzept_zur_kostengunstigen_Speicherung_grosser_Mengen_elektrischer_Energie

·         https://de.wikipedia.org/wiki/Hubspeicherkraftwerk

·         https://blog.energiedienst.de/interview-eduard-heindl-lageenergiespeicher/

·         https://www.energy-innovation-austria.at/article/powertower/

·         https://www.deutschlandfunk.de/energiespeicherung-strom-durch-gestapelte-betonfaesser.676.de.html?dram:article_id=433210




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